Die Macht der Bewerber: Unternehmen müssen sich bei
Talenten bewerben – nicht umgekehrt
Entlassungswellen, Pandemie und Inflation hin oder her: Nachwuchs- und Fachkräfte sind heute heiß begehrt und die Beschäftigungszahlen steigen kontinuierlich an. Personal wird gebraucht. Unter anderem kommt es in den Bereichen Pflege, Medizin, IT, Transport und Sozialarbeit seit Jahren zu Fachkräfteengpässen.
Laut des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) wäre es wahrscheinlich, dass es in den kommenden Jahren zu einem Mangel in Höhe von bis zu fünf Millionen Fachkräften kommen könnte. Unternehmen werden ermahnt, sich auf den Krieg um die Talente vorzubereiten und Angestellten das zu bieten, was sie von einem guten Arbeitgeber erwarten dürfen.
Weil der Arbeitsmarkt sich dreht, drehen sich die Machtverhältnisse mit. Unternehmen müssen sich bei Talenten bewerben – nicht umgekehrt. Junge Fachkräfte bleiben nicht mehr 30 oder 40 Jahre. Sie zeigen Wechselbereitschaft.
Die zentrale Frage: Mit welchen konkreten Benefits können Arbeitgeber sich heute bei ihren Bewerbern bewerben, um sie zu beeindrucken?
Diversität, also beispielsweise Frauen an der Spitze und Arbeit in Teilzeit bei gleichen Entwicklungsmöglichkeiten, sowie attraktive Gehälter machen Unternehmen heute unter anderem zu Top-Arbeitgebern.
Rekrutierungsprozess: Schlank und transparent muss er sein
Bereits der Rekrutierungsprozess will gut vorbereitet sein. Denn dieser ist entscheidend, um Bewerber überhaupt von sich überzeugen zu können, bevor es in die zweite Phase, die „Probephase für Chef/Unternehmen“ geht. Persönliche Ansprechpartner und Rückmeldungen zum Bearbeitungsstatus und dem weiteren Vorgehen sind heute essenziell. Auch wenn es zu keiner Zusammenarbeit kommt: Eine freundliche und nachvollziehbare Absage – obwohl Fachkräfte heute zumeist nicht mit einer Absage rechnen müssen – gehört dazu, um keinen Imageschaden zu riskieren. Und um zu zeigen, dass die Bemühungen des Bewerbers nicht umsonst waren.
Zudem gilt es generell, auf schlanke Bewerbungsprozesse zu setzen: Ellenlange Motivationsschreiben sind überflüssig und müssen nicht verlangt werden. Das Onboarding und die Zusammenarbeit werden zeigen, ob es zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern harmoniert.
Machtposition der Bewerber: Ist das alles zu viel?
Zweifelsohne gibt es auch die Unternehmen, welche den Trend New York verpasst haben oder ganz bewusst nicht auf den Zug aufgesprungen sind. Die Fragen und Zweifel, die auf Unternehmerseite aufkommen, dürften sich der Machtumkehr widmen: Muss ich als Arbeitgeber mitgehen?
Ja – denn andernfalls besteht keine Chance, überhaupt noch am Wettbewerb teilzunehmen. Weil die Regeln neu aufgesetzt werden, Flexibilisierung gefragt und eine moderne Führungskultur ebenfalls überfällig ist. Wer nicht mitgehen will und sich den Wettbewerbsbedingungen entgegenstellt, muss mit hoher Mitarbeiterfluktuation rechnen.
Der erste Schritt in Richtung „attraktiver Arbeitgeber“ ist bereits mit einer Bestandsaufnahme getan: Ob smarte Bürokonzepte, Homeoffice, familienfreundliche Arbeitszeitmodelle oder die gleiche Chance für Mitarbeiter, sich entwickeln zu dürfen und Karriere zu machen. Wichtig ist, den Ist-Zustand zu analysieren, um herauszufinden, an welchen Ecken und Enden es Nachholbedarf gibt. Nur Stillstand wäre verkehrt.